Das “Staatsrealgymnasium (mit gymnasialem Zweig)”

Der provisorische Leiter

Mit der provisorischen Leitung der Anstalt wurde am 26. Juli 1945 vom Landesschulrat für Niederösterreich – das Burgenland war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder hergestellt – der aus dem Kriege heimgekehrte und seit 16. September 1938 zum Personalstand der Schule zählende Mittelschullehrer Dr. Friedrich Szmudits betraut.

Die Situation der Schule nach Kriegsende

 

Die Kriegsereignisse  haben von dieser Schule fast nichts übrig gelassen. Es gab kein Schulgebäude. Dieses war, wie später berichtet wird, der Anstalt durch verschiedene Umstände gänzlich verloren gegangen. Es gab auch keine Lehrmittel, denn diese lagen unbrauchbar geworden auf dem Düngerhaufen des Gasthauses Steiger. Im Hof dieses Gasthauses lagen auch, schon monatelang der Witterung ausgesetzt, die Schülertische und Schülersessel, die von ukrainischen zivilen Rückwanderern zu einem guten Teil als Heizmaterial verwendet worden waren. Auch von den Schulakten war nur wenig übrig geblieben.

Ein neuer schwerer Anfang

Vor diese triste Situation der Schule gestellt, hatte der prov. Leiter Dr. Friedrich Szmudits eine schier unlösbare Aufgabe zu bewältigen, wobei es vor allem galt, den Weiterbestand der Schule zu sichern. Aus dem Nichts musste mit dem Neuaufbau der Schule begonnen werden. Das Gebäudeproblem wurde wieder einmal zur Existenzfrage der Schule. Um auf die vielen Anfragen der Schüler und deren Eltern hinsichtlich des Weiterbestandes der Mittelschule in Mattersburg eine Antwort geben zu können, musste zunächst das akut gewordene Gebäudeproblem einer Lösung zugeführt werden, denn nach Kriegsende stand die Anstalt vollkommen obdachlos da.

Das Gebäude der ehemaligen Katholischen Lehrerbildungsanstalt, das in dem die Oberschule bis zum Jahre 1942 untergebracht war, war von der russischen Besatzungsmacht in Beschlag genommen und erst nach langen Verhandlungen von dieser am 1. Juli 1946 freigegeben worden.

Außerdem musste dieses Schulgebäude, das Eigentum der Apostolischen Administratur des Burgenlandes war, aber von der nationalsozialistischen Schulbehörde für Zwecke der “Staatlichen Oberschule” beschlagnahmt worden war, wieder im Wege des Wiedergutmachungsverfahrens zurückgestellt werden. Die Schule hatte daher keinen Anspruch auf weitere Benützung dieses Schulgebäudes

Das alte Schulgebäude des Unterrealgymnasiums wurde während des Krieges von der Stadtgemeinde Mattersburg um 50.000 RM an die BAST (Obst- und Gemüseverwertungsgenossenschaft Wiesen und Umgebung) verkauft. Auf diese Weise ging der Schule auch noch dieses alte Schulgebäude verloren.

Das Notquartier der Schule

Der prov. Leiter der Anstalt war nun gezwungen, sich anderwärtig um Räume für die Schule umzusehen. Mit Hilfe des damaligen. von der russischen Kommandantur zwangsweise zum Bürgermeister der Stadtgemeinde eingesetzten Oberamtmann Johann Simon gelang es, im Gebäude der kleinen Gewerbeschule und im Gasthof Haidenwolf Räume für eine notdürftige Unterbringung zu bekommen.

Mit Erlaubnis der Besatzungsmacht durfte ein Teil der im Hof des Gasthauses Steiger lagernden Schülertische und Schülersessel mit Pferdefuhrwerken in die Notunterkunft der Schule transportiert werden.

Die Eröffnung des Schuljahres 1945/46 Mit diesem armseligen Mobiliar und nach ,einer nur flüchtigen Reinigung der Räume in der Gewerbeschule und im Gasthof Haidenwolf konnte mit der Vorbereitung der Eröffnung des Schuljahres 1945/46 begonnen werden. Für den Beginn und die Durchführung des Unterrichts im Schuljahr 1945/46 waren die im Erlass des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 3. September 1945 enthaltenen Richtlinien maßgebend.

Die Schulorganisation Durch die Bestimmungen des Erlasses vom 3. September 1945 mussten alle im nationalsozialistischen Schulwesen eingeführten Schulbezeichnungen aufgehoben und durch die traditionellen Schultypen Österreichs ersetzt werden. Entsprechend der in diesem Erlass angeordneten Differenzierung der Schultypen im Sinne der alten österreichischen Schulformen wurde mit Beginn des Schuljahres 1945/46 die “Oberschule” in Mattersburg als österreichisches “Realgymnasium” weitergeführt und erhielt die Bezeichnung “Staatsrealgymnasium (mit gymnasialem Zweig)”. Der gymnasiale Zweig bezog sich nur auf die Oberstufe.

Der Lehrplan

Ebenso wurden sämtliche Lehrpläne der nationalsozialistischen Zeit durch den Erlass vom 3. September 1945 außer Kraft gesetzt. An ihrer statt musste auf den Mittelschullehrplan vom Jahre 1928 zurückgegriffen werden.

Folgende Fremdsprachen wurden an der Schule unterrichtet:

  • Englisch von der 1. bis 8. Klasse Latein von der 3. bis 8. Klasse
  • Französisch von der 5. bis 8. Klasse (Realgymnasium)
  • Griechisch von der 5. bis 8. Klasse (Gymnasium)

Der Unterricht konnte im ersten Nachkriegsjahr am 22. Oktober 1945 begonnen und in allen Unterrichtsgegenständen, mit Ausnahme Naturgeschichte, erteilt werden.

Die Lehrer

  • Dr. Friedrich Szmudits, prov. Leiter, H, Gg
  • Dr. Anna Wagner, M, Ph
  • VL. Johann Franz Mayer, M, Lü (Gg, Dst. Geom., Steno)
  • VL. Johann Riedinger, D, L
  • VL. Hermann Stocker, BE
  • P. Ludwig Gurtner, kath. Religion, (Ph)
  • Pfarrer Josef Schroedl, ev. Religion
  • P. Dr. Ludwig Hammersberger, ME (G, L, E)
  • Dr. Margarete Schneider, E, H (Gg, D)
  • VL. Julius Bauer, D, F, administrativer Mitarbeiter des Direktors
  • HSchL Hans Paul, E, H (D, BE)
  • Mag. Dipl.lng. Thomas Seedoch, Ch
  • P. Dr. Leopold Prohaska, Phil. Einf. Unterr.
  • Schulwart Daniel Hawlik

Die Schüler

Bei der Aufnahme der Schüler als auch im Unterricht musste auf jene Kinder, die durch die Kriegsereignisse, durch schwere Schicksalsschläge in der Familie oder aus politischen und rassischen Gründen aus ihrer normalen Schullaufbahn geworfen wurden, Rück- sicht genommen werden. Durch entsprechende Obergangsmaßnahmen sollte auch den Hauptschülern entsprechend ihrer Begabung und Neigung der Bildungsweg in eine Mittelschule eröffnet werden.

Im Schuljahr 1945/46 zählte die Anstalt 133 (45) Schüler(innen) und führte die Klassen 1 bis 6 und die 8. Klasse.

Der geringe Schülerstand in diesem ersten Nachkriegsjahr war auf die schlechten Verkehrsverhältnisse, auf den Mangel an Verkehrsmitteln, auf die Unsicherheit auf den Straßen und auf das Fehlen eines Schülerheimes zurückzuführen.

Trotz der kriegsbedingten geringen Kenntnisse der Schüler zu Beginn des Schuljahres 1945/46 und des Mangels an Schulbüchern und Lehrmitteln im ersten Nachkriegsjahr waren die Lernerfolge dank der außerordentlichen Anstrengungen aller an der Anstalt tätigen Lehrer recht zufrieden stellend.